Juli 2

Camino Francés – Etappe 4

Die Pyrenäen rufen…

Nach einer längeren Pause in Pamplona, verlassen wir heute (3.7.) die Stadt in Richtung Pyrenäen und bleiben somit noch in der autonomen Regio Navarra.

  • Zariquiegui
  • Uterga
  • Muruzabal
  • Obanos
  • und schliesslich Puente La Reina

Vorwärts immer weiter Schritt für Schritt führt uns der Weg von der Plaza de Navarreria nach ca. 1,3 Km nicht weit an der Zitadelle vorbei. Nach weiteren 2 KM über verschiedene Strassen der Vorstädte verlassen wir die Stadt endgültig. Weiter entlang der Landstrasse erreichen wir nach 2 Km Cizur Menor.

Zunächst meist bergab geht es vorbei an den Ortsteilen von Cizur Menor um anschliessend weitere 5 KM auf Schotterwegen stetig bergauf zu dem kleinen Dorf Zaiquiegui zu kommen. An dem Brunnen vor der Kirche können wir uns mit frischem Wasser versorgen.

Wir durchqueren das Dorf und wechseln an einer Weggabelung auf einen schmalen, steil ansteigenden Pfad, der dann breiter wird und uns zu einem weiteren Pilgerbrunnen führt.

Wir haben Glück, heute führt er Wasser. Das ist nicht immer so.

Nach wenigen Minuten haben wir die Passhöhe Puerto del Perdon auf 734 m erreicht.

Der Alto del Perdón ist der Übergang des Jakobswegs Camino Francés, über die Sierra del Perdón in der Autonomen Gemeinschaft Navarra.
Der Bergzug liegt nahe Pamplona, auf Deutsch bedeutet sein Name Berg der Läuterung.

Doch jetzt nehme ich hier oben, auf dem knapp 1000 Meter hohen Bergkamm der Sierra del Perdón, eine weitere Facette wahr. Ein grünes Bewusstsein!

Unser Blick fällt auf einen mit Windrädern gespickten Höhenzug, die Spalier stehen.

Bisher haben tief verwurzelte Traditionen und streng gläubig praktizierter Katholizismus, angereichert mit reichlich Heiligen- und Märtyrerverehrungen, mein Bild von Navarra geprägt. Dazu dichte Wälder, vereinsamte Dörfer, wunderschöne Kirchen, verfallene Burgen und eine stolze, tausende Jahre zurückreichende Geschichte.

Die Parade der Windräder auf dem Alto del Perdón

Es sollte erwähnt werden, dass Navarra bereits seit Jahren in ganz Europa eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien einnimmt. Beinahe 80% ihres Energiebedarfes deckt die Region aus regenerativen Quellen und dreiviertel davon produzieren die Windgeneratoren. Navarra, eine Autonome Gemeinschaft des Fortschritts, der Visionen, der ökologischen Verantwortung? Ich entdecke eine völlig neue Seite an der kleinen Provinz.

Hier auf dem Alto del Perdón stehe ich nun Auge in Auge mit den weißen Giganten, umtost von schneidend kalten Böen. Aneinandergereiht ragen vierzig schlanke Windgeneratoren mit riesigen Armen unerschütterlich in den Himmel.

Anlage mit ca. 40 Windrädern

Die ewige Pilgergruppe

Es ist eine bunt zusammengewürfelte, 14-köpfige Pilgergruppe, der wir auf dem Höhenzug begegnen. Ganz offensichtlich haben sie sich zufällig zusammengefunden, denn gemeinsam ist ihnen nur das Symbol der Jakobsmuschel auf ihren Umhängen oder Rucksäcken. Sie erscheinen wie eine Zeitreise durch die Geschichte der Pilgertradition.

Allen voran, als Tempomacher, ein forsch ausschreitender Einzelkämpfer. In seinem Windschatten folgt ein Wallfahrer mit Pilgerumhang, Stock und Schlapphut. Nur wenige Schritte dahinter ein Pärchen, das sich gemeinsam gegen den auf der Anhöhe tosenden Wind stemmt. Mit Kind und Kegel (sprich Diener, Magd, Packesel und Hund) reisen die nächsten Herrschaften, zu denen ein Edelmann mit Bundhosen, Dreispitz und Zopf Kontakt hält, während, mit einigen Metern Abstand, zwei jugendliche Wallfahrer mit geschulterten Rucksäcken die Nachhut bilden.

Ungeachtet ihrer gesellschaftlichen, Standes- und Altersunterschiede bilden sie eine eingeschworene Gemeinschaft. Man spürt, sie haben sie alle ein festes Ziel vor Augen, dem sie unbeirrbar entgegenstreben – Santiago de Compostela. Aber ihr dynamisch ausholender Schritt, die Haare, Kopftücher und Schals, die im Wind flattern oder ihre Umhänge, die sich durch die dazwischenfahrenden Luftwirbel bauschen, täuschen. Seit seiner Ankunft auf dem Gipfel im Jahr 1996 ist der Pilgerzug nämlich keinen Meter vorangekommen. 

Das lebensgroße, stählerne Kunstwerk, das auf so gelungene Weise Tradition und Moderne vereint, ist eine Spende der Betreiberfirma des Windparks. Es zollt den Tausenden und Abertausenden Pilgern Respekt, die Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr die Gebirgskette der Läuterung erklimmen.

“Donde se cruza el camino del viento con el de las estrellas” 
Wo sich der Weg des Windes mit dem Sternenweg kreuzt


So lautet die poetische Inschrift auf dem Pilgerdenkmal.

Auf dem weiteren Weg nach Puente la Reina konnten sich unsere Gedanken von diesem beeindruckenden Ort nicht lösen.

Nachdem wir in der Kirche „Iglesia del Cruzifijo“ vom Padre höchstpersönlich den Pilgerstempel bekamen, steuerten wir eine kleine Tapas-Bar an. Wir bestellten uns

Hier in Puente la Reina treffen der navarrische Jakobsweg (von St-Jean-Pied-de-Port kommend) und der aragonesische Jakobsweg (von Somport kommend) zusammen. Manche behaupten, dass hier der “eigentliche” Jakobsweg in Richtung Santiago, beginnt.


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Veröffentlicht02/07/2022 von betina in Kategorie "Camino

1 COMMENTS :

  1. By Ute Thiemann on

    Sehr gefesselt von deiner ausdrucksstarken Wortwahl stellte ich mir die von dir beschriebene ewige Pilgergruppe vor und war sehr überrascht, als sich im weiteren Textverlauf herausstellte, dass es eine künstlerische, unbelebte Darstellung mit starker Symbolkraft ist. Deine Schilderungen tragen einen unnachahmlichen Stempel, der mir sehr gut gefällt 🙂

    Antworten

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